Hugo von Tschudi – eine besondere Persönlichkeit

Gestern hörte ich, in zehn Wochen ist schon Weihnachten. Wo ist das Jahr geblieben? Unwillkürlich dachte ich an das vergangene Weihnachtsfest und an ein besonderes Geschenk, dass ich von einem sehr lieben Menschen bekam. Dieses Geschenk – es ist ein autobiografischer Roman – eröffnete mir neue Wege und Zugänge in die spannende Kunstgeschichte. Obwohl ich mich schon seit Jahren für Malerei interessiere, und wie ihr hier bereits erfahren habt, regelmäßig ins Museum gehe, kannte ich den promovierten Juristen, Kunsthistoriker und Kunstvisionär Hugo von Tschudi – eine besondere Persönlichkeit – bis dahin nicht. Tschudi war zur Kaiserzeit Museumsdirektor der Deutschen Nationalgalerie in Berlin.

Die Alte Nationalgalerie – ein besonderes Museum in Berlin

Ich weiß noch, als wir vor einigen Jahren in Berlin waren, da absolvierte meine Tochter mit mir einen regelrechten Museums-Marathon. Wir besuchten das Pergamon-Museum, das Bode-Museum, das Jüdische Museum und das Neue Museum. Die Alte Nationalgalerie verschmähten wir. Wie konnten wir ahnen, welche Schätze, dank Hugo von Tschudi, in diesem Museum ausgestellt werden.

Denn Tschudi machte sich 1896 mit seinem Freund Max Liebermann auf den Weg nach Paris. Er erwarb dort in einer spektakulären Aktion dreißig Werke unter anderem von Monet, Manet und Degas. Noch bevor impressionistische Bilder in französischen Museen hingen, entdeckte Tschudi die Relevanz dieser Gemälde und holte die Moderne nach Berlin.

Klassiker mussten in der Nationalgalerie weichen, um Platz zu schaffen für diese neue Kunstrichtung. Auf Initiative von Tschudi erhielten die Neuzugänge eine helle Wandbespannung und eine großzügigere Hängung. Die französischen Gemälde weckten alles andere als Begeisterungsstürme in der Bevölkerung und beim Kaiser. Die stimmungsvollen Darstellungen flüchtiger Impressionen und Manets Bild „Im Wintergarten“ wurden sogar als Affront und Skandal empfunden. Mittendrin Hugo von Tschudi, der die Verantwortung für diesen Kauf trug und die Werke und Künstler vehement verteidigte.

Ein besonderer Mensch und ein besonderes Buch

In dem Roman „Tschudi“ von Mariam Kühsel-Hussaini, den ich euch sehr empfehle, lernt ihr diesen beeindruckenden Menschen näher kennen. Für mich ist seine Einstellung immer noch zeitgemäß und relevant, mehr denn je. Für etwas einstehen, für die eigene Kunst einstehen, allen Widrigkeiten zum Trotz, das ist für mich sehr bemerkenswert. Mutig sein, etwas wagen, sich selbst treu bleiben sind Attribute, die es zu pflegen, zu bewahren und auszubauen gilt.

„1896. Berlin. Die Nationalgalerie Deutschlands erwirbt und zeigt als erstes Museum der Welt die Pariser Moderne: Manet, Monet, Renoir, Rodin. Ein Mann unternimmt das Wagnis: Hugo von Tschudi. Gegen den deutschen Kaiser, gegen die konservativen Fraktionen in der Gesellschaft, gegen alles, was ihn aufhalten will.“

Quelle: (Auszug Klappentext Tschudi, Mariam Kühsel-Hussaini, Rowohlt-Verlag)

Ein besonderes Gemälde

„Hugo von Tschudi und der Kampf um die Moderne“ (Untertitel des Katalogs „Manet bis van Gogh“, Prestel Verlag) entfachte bei mir großes Interesse.

Wieso wurde Manets „Wintergarten“ als Skandalbild bezeichnet?

Als es im Dezember 1896 zum ersten Mal ausgestellt wurde, reagierten die Besucher*innen verschreckt und fassungslos.

Werfen wir den Blick auf die heutige, oft sehr freizügige Bilderflut bei Facebook, Instagram und Co., verwundert es schon sehr, bei diesem Gemälde etwas Anzügliches und Unsittliches zu erkennen. Noch dazu, wenn wir bedenken, dass es sich bei den abgebildeten Personen um ein Ehepaar handelt.

Manet nutzte für dieses Gemälde das Pariser Atelier des Schweden Georg von Rosen. Dieser hatte sein Atelier als Treibhaus gestaltet. So ist nachvollziehbar, dass Manets Werk ein Stück „Wildnis in der Großstadt“ vermittelt.

Eine wunderbare Begegnung mit diesem Gemälde findet ihr unter dem folgenden Link. Lasst euch überraschen.

https://www.arte.tv/de/videos/071478-008-A/bilder-allein-zuhaus/

Katharina, jetzt bist du als Literaturexpertin gefragt. Émile Zola und Joris Karl Huysman verlegten erotische Szenen ihrer Schlüsselromane in Treibhäuser. Die Treibhaus-Location ließ also “Böses“ erahnen.

Weißt du mehr darüber? Dann erzähle doch in einem der nächsten Beiträge davon.

Allen, die weiter und tiefer in dieses Gemälde eintauchen möchten, empfehle ich die Ausführungen von Dr. Dr. Joachim Kahl (Marburg) Intimität und Sprachlosigkeit

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Manet. Ein Streifzug durch die Moderne

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Rilke – zur Einstimmung auf den Herbst